So eine Sache
Jungfrau zu sein ist so eine Sache.
Jungfrau mit 21 Jahren zu sein ist eine noch viel größere
Sache.
Klar, meine Oma würde sagen „Kind, das war bei uns nichts Außergewöhnliches“, aber in der heutigen Generation – Generation Porno, wie ich
sie gerne nenne – sieht das schon anders aus.
Wenn ich Schlagzeilen wie „Deutsche Jugendliche haben immer
früher Sex“ lese, kann ich nur müde auflachen.
Heutzutage hat jeder Peter schon mit jeder Susanne, jeder
Brigitte und jeder Giesela gebumst.
Egal ob beim Mädels Abend mit Bier, Pizza und Kitschfilm
oder in anderer lustiger Runde – irgendwann kommt es immer auf: das Thema Nr.
1.
Gibt schließlich viel zu sagen und ist auch wichtig, aber
wenn ich, Frau Große-Klappe höchstpersönlich, dann auf einmal still werde sind
mir die fragenden Blicke sicher.
„Du bist wirklich noch Jungfrau?“ – „Ja“.
Klar, ist nicht schlimm. Finde ich nicht und findet auch
keiner von den Anderen, aber trotzdem irgendwie unangenehm.
Unangenehm, weil besagte Andere einen seltsam mitleidig
mustern. Ganz nach dem Motto „Ach, das arme Mäuschen hat noch keinen
abgekriegt“.
Unangenehm, weil ich als riesige Trinkspielmaus auf einmal
nicht mitmachen mag, wenn „Ich-hab-noch-nie“ gespielt wird, weil ich halt
wirklich noch nie hab.
Unangenehm, weil man sonst immer ganz vorne mit dabei ist,
wenn es um Klatsch und Tratsch geht, aber leider nix zu erzählen hat, wenn die
Freunde mit den schrägsten Sätzen beim Geschlechtsverkehr um sich werfen –
„Setz dich auf mein Gesicht“ und so – sorry, da bin ich leider raus.
Mädels Abend und „Ich-hab-noch-nie“ ist aber Blumenpflücken
im Gegensatz zu potentiellen Partnern.
Meine Mama, zu der ich ein super Verhältnis habe, sagt zwar
„Macht nichts. Die Männer finden das sogar klasse, wenn sie die Ersten sind“
aber Mama sagt auch „Das sieht schön aus“ wenn ich in viel zu engem Kleid und
ungemachten verwurschtelten Haaren vor ihr stehe.
Die Realität sieht anders aus. Selten habe ich so verwirrte,
sprachlose und irgendwie betroffene Gesichter gesehen, wie wenn wir in einer
Unterhaltung zufällig auf das Thema gekommen sind.
„Warum?“ ist die erste Frage. „Weil noch nicht gepasst hat“
die schlichte Antwort.
Wo wir wieder bei „Ach, das arme Mäuschen hat noch keinen
abgekriegt“ wären.
Absoluter Quatsch. Gefühlt jeder Hinz und Kunz wollte seinen
kleinen Willi gerne mal versenken, aber nicht mit mir. Wer bin ich? Biene Maja?
„Ach, du wartest bis zur Ehe?“ Nein und bevor du fragst, ein
prüdes katholisches Schulmädchen bin ich auch nicht. Es ist schlicht und ergreifend wie ich gesagt habe: Es hat
noch nicht gepasst.
Der Moment war noch nicht da, in dem alles gestimmt hat. Der
Moment, in dem ich mich fallen lassen konnte und mir egal war, dass ich hier und
da eine kleine Speckrolle habe und meine Brüste vielleicht ein bisschen hängen.
Ich habe noch keinem Mann geglaubt als er gesagt hat, dass ich schön bin wie
ich bin, weil ich hinter seiner perfekten Fassade immer nur die körperliche
Begierde und nie die pure Zuneigung sehen konnte. Und solange das so ist, werde
ich auf die Frage ob ich wirklich noch Jungfrau bin wohl weiterhin mit „Ja“
antworten müssen.
Vielleicht ist es kitschiges Wunschdenken daran zu glauben,
dass man in dieser verkorksten Welt noch jemanden findet, der einem das
richtige Gefühl gibt.
Vielleicht aber auch nicht.
Vielleicht gibt es diese Person für mich und dann möchte ich
meine Jungfräulichkeit nicht an einen dahergelaufenen Hinz oder einen dummen
Kunz verloren haben.
Denn wisst ihr, dass mit dem Jungfrau sein ist so eine
Sache.
Eine Sache, die gar nicht so furchtbar ist wie ihr alle denkt.
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