Die Oberflächlichkeit der Freundschaft

Lieber Freund,

ich mag dich. Das kann ich frei heraus sagen weil es stimmt.

Wenn ich mit dir zusammen bin dann habe ich oft dieses gute Gefühl im Bauch, das man nur hat wenn man weiß, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.

Denn wir sind unschlagbar. Verbrüdert an der Theke und auf der Tanzfläche.

Aber manchmal wenn ich etwas zu betrunken oder aber etwas zu nüchtern bin, dann verwandelt sich dieses gute Bauchgefühl zu etwas anderem. Meist‘ zu einer Stimme die in meinem Kopf herumspukt und mir etwas zuflüstert. Eine ganze Weile habe ich diese Stimme und ihre leisen Worte vor lauter Rausch und Kater nicht verstanden, aber dann war da dieser Abend.

Du warst gar nicht da aber ein anderer Freund, den ich genauso gerne mag wie dich. Es war schön. Genauso schön wie die etlichen Abende die wir miteinander verbracht haben, aber dann wurde es besser. Viel besser als jede einzelne Party die wir je zusammen gefeiert haben. Und das nicht weil mein Freund den witzigsten Tanz aufgeführt oder die meisten Shots ausgegeben hat, sondern weil wir gegangen sind.

Wir sind gegangen und ohne Ziel durch die Straßen gelaufen. Und zwischen all den Betrunkenen, die unseren Weg gekreuzt haben, haben wir uns unterhalten. Aber nicht so wie wir es tun, wenn wir beide mal einen Moment für uns haben, sondern anders.

Und als ich ein paar Stunden später in meinem Bett lag da hab ich die Stimme wieder gehört. 

Aber diesmal laut und deutlich. Ganz klar und ehrlich.

„Ich will mehr“ hat sie gesagt und ich habe verstanden.

Vielleicht hast du inzwischen auch schon verstanden worum es geht. Vielleicht aber auch nicht.

Ich schreibe diese Worte weil ich sagen will: Lass uns nicht mehr oberflächlich sein. 

Lass uns mehr sein.

Wenn ich das Internet nach der Bedeutung von Freundschaft frage dann sagt es mir, dass sie ein „auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen“ ist, welches sich „durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet“.

Aber wann haben wir uns schon mal ehrlich vertraut? Wann haben wir uns Dinge erzählt die wichtig sind?
Und damit meine ich keine Geschichte von der letzten Feier, die ich leider verpasst habe oder wie es diese Woche in der Arbeit war, sondern wirklich wichtige Dinge?

Ich möchte mit dir über Sachen sprechen die in deiner, meiner und unserer Welt passieren. 

Über Sachen die dich von Herzen bewegen. Die dich ausmachen und antreiben.

Versteh mich nicht falsch, natürlich liebe ich all unsere lustigen Gespräche, makaberen Themen und die Lockerheit, die zwischen uns herrscht, aber wenn ich an dem Abend in den Straßen der Stadt eines gelernt habe, dann das Tiefgründigkeit nicht immer Ernsthaftigkeit als Begleiter braucht.

Ich habe gelacht, an diesem Abend mit jenem Freund. Viel, laut und ehrlich. Und trotzdem war es anders als bei uns. Vermutlich weil wir nicht geschwiegen und die Richtung gewechselt haben wenn wir zwischen all der Heiterkeit auf ein echtes Thema gestoßen sind. Ganz im Gegenteil: wir sind stehen geblieben, haben es betrachtet und mit Hammer und Meißel angesetzt um den Kern zu ergründen.

  

Meinungen von anderen Menschen sind wichtig und deswegen will ich deine hören. Weil ich dich für interessant, unverwechselbar und intelligent halte. Für viel zu intelligent als nur von dir zu wissen welchen Schnaps du am liebsten trinkst.

Deswegen wünsche ich mir, dass wir von der Oberfläche in die Tiefe tauchen und den Smalltalk zu Gesprächen werden lassen. Damit ich in Zukunft nicht nur auf deine perfekte Fassade sondern auch dahinter gucken kann.

Bis bald von ganzem Herzen,

Ich.