Liebesbrief an eine Stadt
Einhudertdreiunddreißig
Tage – exakt so lange habe ich in Sydney gewohnt.
Sicher
keine Ewigkeit, ganz im Gegenteil, aber lange genug um sich Zuhause
zu fühlen. Denn irgendwie geht das ganz schnell wenn die Stadt so
wunderbar und die Menschen so liebenswürdig sind.
Spätestens
wenn du in der Abendsonne durch den botanischen Garten zum Opera
House spazierst hast du dein Herz verloren.
Ja,
es war sicher keine Ewigkeit, aber trotzdem kommt es mir ein bisschen
so vor. Denn Sydney hat mich zusammen geflickt. Als ich vor ein paar
Monaten in das Flugzeug gestiegen bin, da bestand ich nur aus ein
paar losen Teilen, provisorisch zusammen gehalten von der
Unterstützung meiner Freunde und dem Rückhalt meiner Familie. Ich
war lückenhaft und unvollständig. Unzählige Kämpfe und Zweifel
hatten mich Teile meiner Selbst gekostet. Hier einen Schnipsel meines
Herzens, dort ein Stückchen meines Lächelns.
Aber
Sydney war wie Nadel und Faden.
Ich
weiß nicht genau was es war. Vielleicht der ewige Sommer, das Meer
und die Luft. Vielleicht die andere Sprache, in der ich zwar manchmal
falsch aber niemals Missverstanden wurde. Vielleicht auch die
Menschen, die mich stets mit einem Lächeln auf den Lippen empfangen
haben.
Ich
habe wirklich keine Ahnung, aber Sydney hat aus meinen unschönen
Narben der letzten Jahre ein Kunstwerk gemacht. Vielleicht kein
makelloses, so wie die Mona Lisa, aber zumindest einen Picasso –
die Nase schief, die Augen verrutscht und das Lächeln verzerrt, aber
trotzdem irgendwie richtig. Irgendwie passend in dem Gesamtbild
Leben.
Hier
in meiner kleinen Ewigkeit hat sich jeder Tag so angefühlt als hätte
ich gerade den ersten rettenden Atemzug genommen ohne vorher
überhaupt bemerkt zu haben, dass ich die Luft anhalte. So als hätte
im passenden Moment die Hintergrundmusik meines Lebens eingesetzt.
Aber
vermutlich hast du Recht wenn du jetzt denkst, dass mir das alles
auch in London, Warschau oder Kapstadt hätte passieren können, denn
die Wahrheit ist, dass ich mich wahrscheinlich gar nicht so sehr in
die Stadt an sich verliebt habe, sondern viel mehr in das was sie aus
mir gemacht hat.
Ich
habe so viel gelernt. Einen Haufen klitzekleiner Dinge die ich nicht
in Worte fassen kann, weil sie nur in den Untiefen meiner Gedanken
passiert sind, aber auch viele große Dinge bei denen ich mich frage
warum ich bis ans andere Ende der Welt reisen musste um sie zu
verstehen.
Sydney
hat mich stärker, sicherer und unabhängiger gemacht. Es hat mir
gezeigt, dass allein' sein ein Segen ist, es sich aber immer lohnt
das Herz für neue Menschen offen zu halten, da es viel zu viele
schöne Charaktere auf der Welt gibt um das Leben nur mit denen zu
teilen die wir schon kennen.
Und
auch wenn es alle anderen Städte hätten sein können bleibt es für
mich Sydney.
Die
Stadt in der ich zum ersten Mal geatmet und die Hintergrundmusik
meines Lebens gehört habe. Die Stadt die mich zusammen geflickt und
dabei einen kleinen Teil meines Herzens für sich behalten hat.
Eine
Stadt in der ich exakt einhundertdreiunddreißig Tage verbracht habe
– sicher keine Ewigkeit, ganz im Gegenteil, aber lange genug um
mich für immer zu verändern.
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