Lieb' dich selbst im Internet
Ich
klicke mich durch meine Instagram Timeline.
Ein
bisschen stöbern, gucken und scrollen. Herzchen hier, Kommentar da. Ohne Ziel
und tieferen Sinn. Einfach nur schauen. Einfach nur die Zeit vertreiben.
Bei
dem Bild einer jungen Frau bleibe ich hängen. Ich schätze sie auf Anfang 20. Ihre
Augen spiegeln das Licht, die Haare fallen ihr lockig über die Schultern und
die dunkelrot geschminkten Lippen glänzen verhängnisvoll. Sie ist schön so wie
sie da sitzt – nur in Unterwäsche auf ihrem Bett. Die paar Kilo die sie zu viel
hat stehen ihr, weil sie so aussieht als sei sie glücklich.
Als
ich auf das kleine Herz unter ihrem Beitrag klicken und es so mit Farbe füllen
will, springt mir die Bildunterschrift ins Auge. Ich
überfliege die paar Zeilen in denen sie predigt, dass es wichtig ist sich
selbst zu lieben und die mit den Hashtags #loveyourself
und #stopbodyshaming versehen sind.
Ein
paar Sekunden noch schwebt mein Finger ohne Auftrag über dem herzförmigen
Symbol, ehe ich
weiterscrolle
ohne es mit roter Farbe gefüllt zu haben.
Ich
freue mich für das mir unbekannte Mädchen.
In
meinen Gedanken habe ich sie Hannah getauft und ich freue mich, dass Hannah
sich wohl fühlt. Genauso freue ich mich für Meike, die mir wenige Tage später
begegnet und die sich von dem Haken in ihrer Nase nicht beirren lässt. Ich
freue mich für jede einzelne Person die sich gut fühlt wie sie ist, denn jeder
Mensch hat Frieden mit sich selbst verdient.
Trotzdem
habe ich das Bild von Hannah nicht mit einem Like versehen und trotzdem bin ich manchmal ein bisschen genervt. Genervt
von der Bewegung die sich in den letzten Monaten aufgetan hat und seither die
sozialen Netzwerke bestimmt. Überall sieht, liest und hört man „love yourself“ und „stop
body shaming“ und natürlich verstehe
ich das Prinzip dahinter. Ich verstehe dass die Worte für mehr Realität im
Internet, die Akzeptanz von allen Körperformen und vor allem für mehr
Selbstliebe stehen sollen, aber trotz ihres guten Geistes sind sie oft nicht mehr
als Schein. Denn das wahre Leben besteht nun mal nicht immer nur aus „love yourself“ und „stop body shaming“ sondern auch aus „hate myself“ und „I don’t
want to go to the beach because i‘m feeling to fat for the bikini“. Aber
diese Hashtags gibt es nicht im World Wide Web, denn sie sind nicht schön genug
für die glitzernde Plastikwelt, die sich Internet nennt. Und auch in und unter
den zahlreichen Texten und Bildern, die unter den Hashtags zu finden sind, ist
meist nichts dazu erwähnt.
Und
genau hier liegt mein Problem. Oft fühlt es sich so an als würde es nicht mehr um
die Sache an sich, um das gute Bewusstsein für sich und seinen Körper, sondern
um reine Selbstinszenierung gehen. Um Reichweite die generiert wird, weil
Frauen die vielleicht wirklich mit sich hadern nach den Schlagwörtern „love yourself“ und „stop body shaming“ suchen. Und dann lesen sie ellenlange Texte die
ihnen sagen, dass sie sich selbst lieben müssen. Aber keiner erklärt ihnen wie und
auch nicht das es an manchen Tagen schlichtweg unmöglich ist.
Denn
Selbstliebe entsteht nicht nur weil tausende Menschen im Internet die gleichen
Worte verwenden. Niemand wird lernen sich selbst zu akzeptieren nur weil er
einen langen Text gelesen hat, der sagt, dass man das muss. Selbstliebe kommt
von innen.
Und
seien wir ehrlich: Es ist verdammt schwer sie zu finden.
Selbst
wenn man es schafft, selbst wenn man sich mag und schätzt wie man ist, werden
Tage kommen an denen man zweifelt. Und diese Zweifel müssen ausgesprochen
werden. Am besten laut und deutlich, damit sie ihren Schrecken verlieren.
Deswegen
sage ich dir dass es ok ist wenn du an manchen Tagen nicht in den Spiegel
gucken willst, weil du dich nicht hübsch genug fühlst. Und das nichts dabei ist
wenn du mal mit den Tränen kämpfst, weil der Bikini an dem Model im Katalog
besser aussieht als an dir. Das alles ist in Ordnung solange du diesem Gefühl den Kampf ansagst. Denn Selbstliebe
beginnt da wo die Akzeptanz über das eigene schlechtmachen aufhört. Selbstliebe
ist der Kampf nicht zu akzeptieren sich nicht zu akzeptieren.
Dieser
Kampf ist unfair, ich weiß, denn du kämpfst nicht nur gegen dich selbst sondern
auch gegen eine Gesellschaft die dich in eine Schublade stecken will. Eine
Gesellschaft die bestimmen möchte was Schönheit bedeutet und was nicht. Aber du
schaffst das. Und wenn nicht Heute dann Morgen. Und wenn nicht Morgen dann vielleicht
Übermorgen. Du schaffst das solange du es nur versuchst.
Ich
für meinen Teil wünsche mir mehr Realität im Internet.
Mehr
Wahrheit zwischen „Ich liebe alles an
meinem Körper“ und „Nein ich zweifle
nie an mir selbst“. Ich wünsche mir mehr „Heute war kein guter Tag“ und mehr „Aber ich weiß, dass das morgen wieder anders ist“, damit die
Frauen die vielleicht wirklich gerade auf der Suche nach ein bisschen Halt sind nicht
nur perfekte Texte, sondern auch echte Menschen finden. Und damit die Hashtags
wieder den Sinn bekommen für den sie gemacht wurden: Verbündete finden.
Zusammenhalt vermitteln in unserem Kampf gegen die oberflächliche Gesellschaft.
Aber das nicht mit makellosen Bildern und Texten, sondern mit echten Zweifel
und Sorgen. Mit Unsicherheit und Angst. Ehrlich, denn nur so kann Selbstliebe
funktionieren.
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Natürlich
bestätigen Ausnahmen die Regel. Es gibt wunderbare Seiten, die das Thema
Selbstliebe charmant, ehrlich und liebenswürdig behandeln.
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